Die Dreifache Schul-Autonomie

Der Begriff „dreifache Schul-Autonomie“ wurde von uns gemeinsam erarbeitet, als wir versuchten, alle Faktoren zusammenzufassen, die Freie Schulen benötigen.

Ideen zu einer Erneuerung des österreichischen Schulsystems

Im Mai 2013 fand ein ausgedehntes Arbeitstreffen mit Per Kristensen aus Dänemark statt, um mit Hilfe seiner Erfahrung die thematischen Säulen zu definieren, auf denen freie Schulen in Europa optimal gedeihen könnten. Lässt sich ein Konzept erstellen, das zusammenfasst, was nichtkonfessionelle private Schulen benötigen um zu florieren? Kristensen ist Lehrer und Schulgründer, und als Vorstandsmitglied von ECNAIS  hat er jahrelange Erfahrung mit europäischen freien Schulen, die er oft besucht, kennen gelernt und aktiv unterstützt hat.

Es ging uns darum, Grundsatzarbeit zu machen, das Wesentliche herauszufiltern:
Welche rechtlichen Rahmenbedingungen müsste ein Staat sichern?

Nach langen Diskussionen reduzierten wir letztendlich diese Notwendigkeiten auf drei Säulen, die es staatlicherseits zu sichern gilt. Ich fand dafür die Bezeichnung „Dreifache Schul-Autonomie“:

1.) Die pädagogische Autonomie
2.) die personelle Autonomie, und
3.) die finanzielle Autonomie.

Und welche Werte können sich nun aufgrund ihrer Gewährleistung entwickeln?

Diese Werte sind kulturspezifisch.
Das Nennen von Begriffen ist hier unzureichend, man kann sich deren Verständnis aber annähern.

Es sind Begriffe wie:

Achtsamkeit (gegenseitiger Respekt)
Authentizität (Aufrichtigkeit, Ehrlichkeit, Offenheit)
Verlässlichkeit (Vertrauen, Verantwortlichkeit)
Humor (Entspannung, Toleranz)
Persönlicher Mut (Risikobereitschaft)
Neugier (Forschergeist)
Vertiefung (..des Wissens, ..des Verständnisses, Ruhe, Konzentration)

Solche und ähnliche Werte im Schulalltag zu verankern, ist persönliche Aufgabe der Schulleitung und spiegelt sich wieder in der jeweiligen schulspezifischen „Schulkultur“. (Siehe -> Artikel über Schulkultur)

Obwohl wir diese Überlegungen in Hinsicht auf Schulen in freier Trägerschaft („Nicht-staatliche-Schulen“) angestellt hatten, stellten wir fest, dass diese Grundlagen auf für das öffentliche Schulsystem anwendbar wären.

Später, als ich bei der der Ausarbeitung des Bildungsprogrammes der neuen Mitte-Partei NEOS mithalf, zeigte sich, dass die Idee der „Dreifachen Schul-Autonomie“ grundlegenden Vorstellungen einer gemäßigten, sozial verträglichen Liberalität entspricht. Nach einem Treffen in der Parteizentrale wurde dieser Begriff in das politische Programm aufgenommen.

Nun aber zur genaueren Beschreibung der Elemente der „Dreifachen Schul-Autonomie“ im Detail:

1.) Die Pädagogische Schul-Autonomie

Die ‚Pädagogische Schul-Autonomie‘ gibt es in Österreich in gewisser Weise schon (Siehe: BMUKK / Schulautonomie).
Sie ist in der Praxis jedoch verbunden mit bürokratischen Hürden, deren Beseitigung oder Ersetzung mittels vereinfachter Regelungen notwendig ist. Manche Politiker meinen, mit der bisherigen Regelung sei das Thema abgehakt, – wir sehen es aber anders.
Der Zugang zu alternativen Lehr- und Organisationsformen muss explizit befürwortet und aktiv gefördert werden.
Ein ernst gemeinter Ansporn zu deren Umsetzung ist notwendig.

2.) Die Personelle Schul-Autonomie

Die „Personelle Schul-Autonomie“ ist in Österreich – verglichen mit dem Europäischen Umfeld – keinesfalls hoch entwickelt (Eine detaillierte Aufstellung zur Situation der Lehrer in Privatschulen findet sich HIER ). Wir haben mit traditioneller „Parteibuchwirtschaft“ zu tun, jener Praxis, welche die Vergabe der Schulleiterpositionen in der Praxis von deren Parteizugehörigkeit abhängig macht.
Ein bedeutender Faktor ist hier auch die Lehrergewerkschaft, mit welcher ein aktiver Dialog aufgenommen werden muss, um Argumentationen zu durchleuchten und abzugleichen.

In der personellen Autonomie wählt die Schule selbstständig jene Lehrerinnen und Lehrer aus, die zu ihr passen, und bekommt diese nicht mehr staatlicherseits zugewiesen. Wie weiter unten in „Finanzielle Schul-Autonomie“ ausgeführt wird, übernimmt der Staat die Kosten dieser Anstellung. Eine eventuelle Kündigung durch die Schule ist ganz einfach auf dienstrechtlichen Grundlagen möglich.

Die gesellschaftspolitische Frage, um die es geht, wird hier sein: inwiefern kann ein gewisser Wettbewerb unter Schulen und Lehrern dazu beitragen, das allgemeine Bildungsniveau zu heben?
Wie weit ist Wettbewerb einer gesunden Entwicklung förderlich? Wie weit darf kompetitiver Stress gehen, um das nötige allgemein wohlwollende soziale Klima in der Schulpartnerschaft aufrecht zu erhalten?

Ein weiterer Faktor ist hier die Notwendigkeit der Erneuerung und Weiterentwicklung der Lehrerausbildung. Wir brauchen verstärkt Unterricht in Didaktik und kommunikativer/psychologischer Praxis. Wir brauchen Ausbildungselemente, die den werdenden Lehrern alternative Lehrmethoden in die Hand zu geben, die Wissen über systemische Zusammenhänge und Funktionen erzeugen. Lebenserfahrung und Selbstreflexion müssen zu entscheidend wichtigen Werten erklärt werden.

Zu all diesen Themen gibt es vielversprechende Ansätze, welche jetzt gesammelt und konzentriert werden müssen.
Wenn es pädagogische und personelle Autonomie geben soll, müssen sich beide einander anpassen.

3.) Die Finanzielle Schul-Autonomie

Um es vorwegzuschicken:
Hier bedarf es weiterhin einer umfassenden Mentor-Funktion des Staates: Der Staat stellt aus Steuereinnahmen jene Gelder zur Verfügung, welche von den Schulen für die umfassende Bildung der Bevölkerung aufgewendet werden.

Die „finanzielle Autonomie“ inkludiert, dass der Lehrkörper prinzipiell bei den Schulen selbst angestellt ist, und dass die Schulen über das ihnen zugeteilte Budget (pro Kind) mehr oder weniger frei bestimmen können.

In Europäischen nordischen Staaten sind solche und ähnliche Modelle bereits mit großem Erfolg verwirklicht – aber auch sie verändern sich fortlaufend entsprechend neuen gesellschaftspolitischen Entwicklungen.

Man ist z.B. in Dänemark davon abgekommen, das Geld für Schulen einzelnen Sparten ‚zweckzuwidmen‘, also einen Betrag für Gebäudeerhaltung, einen anderen für Essen, und wieder einen anderen Betrag für Lehrergehälter zu markieren.
Man machte die weitaus bessere Erfahrung, den Schulen diese Einteilung selbst zu überlassen. Der Grad an Initiative, Aufmerksamkeit auf eigene Entwicklung und Identifikation mit dem eigenen Projekt ist dadurch wesentlich höher.

Umsetzung

Die Einführung der „Dreifachen Schul-Autonomie“ wird in Österreich möglicherweise nur in einem Schritt-für-Schritt Prozess möglich sein.
Gleichgesinnte in allen Parteien müssen sich sukzessiv zusammen finden – es geht um die Verbindung unter Personen, die verstehen worum es geht, welche im Parlament diese Idee dann selbst weiter unterstützen und Raum für eine solche Veränderungen schaffen.

Eine Partei alleine – und auch eine Regierung alleine – wird diese Ideen praktisch nicht umsetzen können.
Denn letztlich wird die Umsetzung der „Dreifachen Schul-Autonomie“ nur dann gelingen, wenn sie von der Bevölkerung mitgetragen wird – die Politik muss hier also erst einmal bewusstseinsbildend aktiv werden, denn nicht jeder Österreicher hat von sich aus ein gesteigertes Interesse, sich um bildungspolitische Fragen zu kümmern.
Vielmehr ist das Achselzuckende „Es-ist-wie-es-ist,-da-kann-man-nichts-machen“ vielerorts noch Teil einer veralteten, resignativen (Un-)kunltur .

Es geht darum, auch im Bildungsbereich ein bestimmtes Maß an Wettbewerb zuzulassen, um Selbstläufer anzuregen, Spaß und Enthusiasmus für ein positives Streben aufkommen zu lassen. Projekte zuzulassen, die mit Begeisterung „Schule machen“ – es den Akteuren zu ermöglichen, alternative, bewährte und neue Methoden und Erkenntnisse praktisch umzusetzen.

Zugleich geht es aber auch darum, ein Übermaß an Konkurrenzstreben zu vermeiden, da dies zu Isolation Einzelner führen kann, und den Gruppenzusammenhalt (Schulgemeinschaft, Klassengemeinschaft, Schulpartnerschaft) im schlimmsten Falle empfindlich stört – und dort schädigend statt fördernd wirkt.
Das richtige Maß ist entscheidend.

Weiters geht es darum, den Status des Lehrberufes in der Öffentlichkeit aufzuwerten – dies geht nur gleichzeitig mit einer noch praxisorientierteren und vielseitigeren Ausbildung.
Zu all diesen Ideen gibt es bereits vielerorts sehr engagierte Ansätze. Aktions- und Reformgruppen haben bereits ihre praktische Arbeit aufgenommen – diese gilt es zu sammeln, damit sie ihre Kräfte bündeln und ausrichten können.

Sinnvoll könnte es sein, die „Dreifache Schul-Autonomie“ stufenweise einzuführen – auch damit sich das System anpassen und einspielen kann …. z.B. erst einmal die Personelle Schul-Autonomie zu etablieren, wobei der Staat den Schulen die Lehrergehälter ersetzt, und dann in einem weiteren Schritt die Finanzielle Schul-Autonomie einzuführen, wo das Geld nur mehr „am Kind hängt“, also mit diesem in die jeweilige Institution mit geht, welche dann frei über den Betrag entscheiden darf.
Dieses Modell ist zum Beispiel erfolgreich umgesetzt im Schulsystem von Dänemark.

In jedem Fall wird es notwendig sein, dass alle Kräfte die hier für Erneuerung sorgen möchten, – partei- und ideologieübergreifend zusammen arbeiten.

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